29/08/2019

Was AI heute wirklich kann

“People underestimate the capability of AI. They think it is a smart human. It will be much more than that.” Elan Musk, 29.8.2019

In diesem Blog möchten wir Ihnen die heutigen Grenzen der künstlichen Intelligenz aufzeigen. Wir schlagen hier einen Bogen von der Definition über die Geschichte bis zu den heutigen Einsatzgrenzen der künstlichen Intelligenz.

AI Definition

Künstliche Intelligenz (KI), im englischen Artificial Intelligence (AI). befasst sich mit der Automatisierung von intelligentem Verhalten und ist eng mit dem Begriff Machine Learning (ML) verbunden. Inhalt von AI ist es, mit Algorithmen intelligentes Verhalten nachzubilden oder zumindest zu simulieren.

Besonders relevant heute ist AI in seinen Teilgebieten der wissensbasierten Systeme (Expertensysteme), der Mustererkennung und Vorhersage (Prediction) und Robotik.
Auch Data Science ist mit AI stark verbunden. Data Science bezeichnet die Extraktion von Wissen aus Daten, die Mittel hierfür sind Methoden, Prozesse und Algorithmen, wie statistische Verfahren und Verfahren des Machine Learning. Deep Learning ist ein Teilgebiet von Machine Learning.

AI Geschichte

AI hat sich aus vielen theoretischen Überlegungen ab den 20-iger Jahren des 20. Jahrhunderts entwickelt und sich Anfang der 50-iger Jahre erstmals konkret manifestiert. Ab dann hat AI und deren Teilbereiche mehrere Hype-Zyklen durchlaufen. Schon in den 50-iger bestand eine fast grenzenlose Erwartungshaltung bezüglich der Fähigkeit der Computer intelligent zu werden, bspw. zum Schachweltmeister aufzusteigen. Das mit dem Schachweltmeister gelang dann aber erst sehr viel später dem IBM Computer Deep Blue im Jahre 1997. Auch Expertensysteme gab es seit Beginn der 70- Jahre, die schon damals Diagnose Entscheidungen der Ärzte unterstützten, aber in sehr engen Teilbereichen der Medizin. Das Problem damals war, das die Grenzen der Kompetenzen unscharf waren, was teilweise zu Fehldiagnosen führte. Auch die gehypte Fuzzy Logic war eine Errungenschaft, die sich besonders in verschiedenen Maschinensteuerungen etabliert hat, nicht aber einen breiten Durchbruch erreichte. Deshalb sind nach jedem AI-Hype die sogenannten KI- Winter charakteristisch.

Der AI Hype der heutigen Zeit wurde gesellschaftlich durch zwei Events getriggert: IBM Watson, der 2011 den Jeopardy Champion besiegte und AlphaGo, welches den weltbesten Go Spieler 2018 besiegte. Letzteres geschah auf der Grundlage von Deep Learning, welches auf neuronalen Netzen ähnlich eines Gehirns aufbaut. Deep Learning ist so auch die Basis vieler in den letzten Jahren durchgreifender Entwicklungen im Bereich der Bilderkennung, sowie der Sprach- und Textanalyse.

Abb 1: Neurales Netzwerk mit mehreren Lagen (Layers, Lit. Towards Data Science, Training Deep Learning Networks, Rawindra Parmar, 11.9.2018)

AI Durchbrüche heute

Vernetzung und Cloud Services haben die weltweite Datenmenge enorm ansteigen lassen. Big Data wurde zum Mode- und Fluchwort zugleich. Big Data half AI vor wenigen Jahren zum grossen Aufstieg (denn grosse Datenmengen sind häufig die Grundlage von AI), heute scheint es so, als wäre Big Data durch AI abgelöst. Das Thema Big Data ist weiterhin genauso aktuell, aber niemand spricht mehr davon. Genau so wird es AI in wenigen Jahren ergehen. Interessant ist jedoch, dass bei AI ein starker Lawineneffekt ausgelöst wurde. Viele neue Studiengänge sind entstanden und die Politik stopft weiterhin enorme Geldmengen in die Forschung und Entwicklung. AI wurde im Gegensatz zu Big Data politisch, und die heutigen politischen Meinungen gehen soweit, dass einzelne Staaten den Glauben vertreten, mit AI sich und die Welt regieren zu können. Das alles hilft der grossen Popularität.

Vieles ist masslos übertrieben, aber es gab einige erstaunliche technologische Durchbrüche der letzten Jahre, die an eine Allmacht von AI glauben lassen. Und so vertreten zu viele, sogar AI Experten, den Glauben, dass die künstliche Intelligenz die menschliche Intelligenz in weniger als 20 Jahren überholen wird. Glücklicherweise lehrt uns die Geschichte, dass es, wenn überhaupt, sehr viel länger dauern wird.

Wahrhaftig gab es einige beachtliche technologische Durchbrüche in den letzten Jahren wie:

  • Sprach-Übersetzungsmaschinen (Deepl, Skype, Google Translate, usw.), die wirklich etwas taugen. Auch «speech to text» und umgekehrt funktioniert zwischenzeitlich
    sehr gut auf der Grundlage von AI.
  • Persönliche Assistenten auf der Grundlage des Internets (Google Alexa, Amazon Echo, usw.), die sich besonders in Amerika sehr schnell durchgesetzt haben.
  • Empfehlungssysteme auf Internetplattformen, die immer stärker zur Normalität werden.
  • Automatisierte Verhaltensanalysen wie bspw. Sentiment Analysis für das Marketing.
  • AI Security: AI hilft uns in vielen Fällen gegen die Kriminalität vorzugehen. Fraud Detection, Cyber Security und besseres Verständnis der Kriminalität mit Data
    Science.
  • Und sehr viele Applikationen auf der Grundlage von Bild und Video Analysen, darauf basiert schliesslich auch das autonome Fahren. Darunter fällt zum Beispiel auch
    unser Projekt der Fehlstellenerkennung (Risse, Nassstellen, usw.) in Tunnels.
  • Man schätzt den Predictive Maintenance (Vorausschauende Wartung) Markt, aufbauend auf Machine Learning, bis in das Jahre 2022 bei 11 Milliarden $ (Market Research
    Future Roland Berger, 2018), also auch eine sehr starke Entwicklung in den nächsten Jahren.

Die Intelligenz von AI

Abb.2 zeigt, wo sich die Intelligenz von AI sich im Vergleich zur Tierwelt befindet.
Ein Vergleich kann am ehesten anhand von Deep Learning angestellt werden, da hier das Konzept der neuronalen Netze ja eine Ähnlichkeit zu Gehirnen aufweist.

Das Gehirn eines Menschen hat um die 100 Milliarden Neuronen (Nervenzellen) und 100 Billionen Synapsen. Der Vergleich der AI Neuronen zu organischen Neuronen ist etwas vage, aber wir liegen in der Tendenz irgendwo in der Nähe einer Honigbiene, einige behaupten in der Nähe eines Frosches. Damit liegt mindestens ein Faktor von 10’000 noch zwischen AI und der Intelligenz eines Menschen.

Abb.2: Die Intelligenz von Deep Learning im Vergleich zur Tierwelt

Die Biene kann spezifische Verhaltensmuster sehr gut, zum Beispiel den Weg finden, vielleicht sogar besser als Menschen. Genauso verhält es sich bei AI. AI kann einen spezifischen Tumor auf einem Röntgenbild besser erkennen als ein Arzt (auch wenn nicht alle Ärzte das bejahen). Aber das Modell kann nicht gleichzeitig das Bild einer anderen Krankheit im Gehirn erkennen, wenn es nicht speziell darauf trainiert wurde

Und leider hat man herausgefunden, dass die Genauigkeit der Mustererkennung abnimmt, wenn mehrere Probleme gleichzeitig gelöst werden sollen. Zumindest aktuell noch hat die Intelligenz von Deep Learning eine Grenze, die möglicherweise nicht durchbrochen werden kann. Ein Deep Learning Modell wird nie die Intelligenz eines Menschen aufweisen, um in die Richtung zu kommen, werden ganz andere Konzepte benötigt.

Die fehlende Intelligenz von AI

  • AI hat nicht das was man als «Common sense» bezeichnet. AI kann nur Schlussfolgerungen auf einem spezifischen Gebiet ziehen, auf welchem es trainiert wurde. Über diese Grenzen
    hinaus funktioniert AI nicht.
  • Deep Learning funktioniert nur über Wahrscheinlichkeiten. Es gibt keine direkte Verdrahtung von Input und Output, deshalb wird Deep Learning nie 100% genaue Resultate
    erbringen.
  • Deep Learning ist nur so gut, wie das Netzwerk trainiert wurde. Das kann auch zu grossen Fehlern oder sogenannten «Bias» führen. Zum Beispiel, dass ein Afro- Amerikaner es viel
    schwerer hat, eine Hypothek zu erhalten, weil das Modell einen «racial -» oder «gender bias» aufweist.
  • Deep Learning funktioniert nur mit vielen Trainingsdaten. Wenn das Problemfeld sich zeitlich laufend ändert, läuft das Deep Learning nicht mehr optimal.
  • Die menschliche Intelligenz funktioniert über den Informationsaustausch und Domänen-übergreifende Anwendung des Wissens. Deep Learning kann das nicht. Deep Learning kann damit auch
    nicht als kreativ bezeichnet werden (auch wenn eine spezielle Art von Netzwerken – die GANs – mit den richtigen Trainingsdaten spezifische „kreative“ Aufgaben lösen kann).

Wo macht AI (noch) wenig Sinn

Hier nur einige Beispiele, die vor einer übereilten Euphorie warnen sollen:

AI für das HR

Vor wenigen Jahren kamen AI Applikationen auf den Markt, die den Bewerbungsprozess von neuen Mitarbeitern unterstützen. Aufgrund der Gesichtsmimik der Bewerber beim Bewerbungsgespräch wurde auf die Eignung geschlossen. Was mich selber belustigt hat, wurde interessanterweise von etlichen Firmen (zumindest anfänglich) positiv aufgenommen.
Die Eignung für eine Stelle ist meistens äusserst individuell. Die Person muss neben den Fähigkeiten für die ausgeschriebene Rolle in ein ganz spezifisches Team passen. Es ist kaum möglich, dass ein Deep Learning Algorithmus für einen derart individuellen Entscheidungsprozess einer Anstellung eine entscheidende Hilfe leisten kann.

Deep Learning für die Börse

AI soll den Aktienkurs vorhersagen. Das ist weder für ganze Aktienmärkte und erst recht nicht für einzelne Firma auch zukünftig nicht möglich. Der Aktienmarkt reagiert auf wirtschaftliche und politische Einflüsse wie Instabilitäten, die nicht vorhersagbar sind und ist dazu noch stark emotional aufgeladen. In der Vergangenheit hat AI Börsen sogar destabilisiert. Tendenz aber ist, dass mit AI die Aktienmärkte weniger emotional werden, also damit die Ausschläge weniger dramatisch sein werden.

AI als Arzt

Expertensysteme im HealthCare werden den Arzt unterstützen und mit der Zeit immer besser werden, je mehr Datengrundlage diese Systeme aufweisen (historische Daten und online Daten der Patienten). Expertensysteme werden aus der Arztpraxis in wenigen Jahren nicht mehr wegzudenken sein. Aber es wird noch viele Jahre dauern, bis die Funktion eines Arztes überdacht werden muss.

Autonomes Fahren

Das autonome Fahren besonders in den Städten wird sich leider herauszögern. Auch wenn viele Prototypen seit Jahren im Einsatz sind. Leider werden die Prognosen einer Einführung laufend nach hinten korrigiert.

Abb. 3: Bestandsdurchdringung bis 2050: Gesamtbestand; ADAC Studien von Prognos, Aug 2018

Man geht jetzt von einer Einführung des City Piloten ab 2030 aus (ADAC Studie, 2018), mit einer Durchdringung von 10% bis 20% im Jahr 2050 in den Städten. Das ist wenig und ich hoffe, dass dies in Tat und Wahrheit etwas schneller gehen wird. Die Hoffnung stirbst zuletzt.

Fazit
Elan Musk ist ein Visionär. Aber er wird es früher auf den Mars schaffen, als das AI intelligenter als der Mensch wird. Viele Hoffnungen, aber auch Ängste sind (glücklicherweise) masslos übertrieben.